Zur Vorbereitung auf den kommenden Odyssey-Hackathon in den Niederlanden, haben wir uns am Freitag, den 21. Februar getroffen, um uns über Self-Sovereign Identity (SSI) auszutauschen. Bei SSI versucht man das Konzept der Identität auf die digitale Welt zu übertragen.
Im letzten Blogpost berichteten wir von dem Vorhaben uns zusammen mit unseren Freunden und Partnern von PositiveBlockchain.io beim Odyssey-Hackathon für die SSI-Challenge zu bewerben. Die Bewerbung ist raus und wir erwarten sehnsüchtig das Ergebnis. Nichtsdestotrotz veranstalteten wir den ersten zweier SSI Brainstorming Sessions, um Learnings und Input zum bevorstehenden Event zu sammeln. Es war ein interessanter Freitag. Anders als bei den anderen Events, versuchten wir uns dieses mal an einem offeneren Format. Im Fokus stand der Austausch zu einem immer wichtiger werdenden Thema, welches viele Bereiche unserer digitalen Privatsphäre betrifft – wir widmeten uns der Self-Sovereign Identity (zu diesem Thema gab es übrigens bereits letztes Jahr ein Meetup ;).
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Das Internet – damals und heute
Die Vordenker und Erfinder des Internets hatten eine große Vision. Jedem Menschen sollte es möglich sein sich in der digitalen Welt frei zu entfalten und mit anderen zu vernetzen. Während dies zur Anfangszeit – zugegebenermaßen unter einigem Aufwand – tatsächlich möglich war, hat sich die Form des Internets seitdem drastisch gewandelt. Einige wenige Internet-Service-Provider haben großen Einfluss darüber was wir sehen und tun können, private Daten sind auf verschiedensten Servern auf der ganzen Welt verteilt und werden monetär genutzt. Wir als Nutzer sind dem machtlos ausgesetzt. Es stellt sich die Frage: Wie kann man diesem Kontrollverlust über die eigenen Daten entgegentreten und mehr Transparenz bei der Datennutzung erreichen?
Die 10 Prinzipien von Self-Sovereign Identity
Nach einer kurzen Vorstellungsrunde erklärte uns Ronald die 10 Prinzipien von SSI. Erwähnenswert ist hier, dass der Begründer dieser Prinzipien, Christopher Allen, diese nicht als festgeschrieben ansieht, diese aber trotzdem einen dogmatischen Status erreicht haben. Nun denn, hier die 10 (derzeitigen) Prinzipien:
- Existenz – Benutzer müssen existieren
- Kontrolle – Benutzer müssen ihre Identität kontrollieren
- Zugang – Benutzer müssen Zugang zu den eigenen Daten haben
- Transparenz – Systeme und Algorithmen müssen transparent sein
- Persistenz – Identitäten müssen langlebig sein
- Portabilität – Informationen und Services über Identitäten müssen portabel sein
- Interoperabilität – Identitäten sollen so weit wie möglich nutzbar sein
- Einverständnis – Benutzer müssen der Nutzung ihrer Identität zustimmen
- Minimierung – Die Offenlegung von Forderungen muss minimiert werden
- Protektion – Die Rechte eines Benutzers müssen geschützt werden
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Natürlich ist solch eine Aufzählung nicht vor Volker’s (unser Bitcoin Trainer) kritischem Auge sicher. Er vermisste hier die Freiwilligkeit der potentiellen Nutzer sowie deren Fähigkeit zur Nutzung. Tobias fügte die Wichtigkeit der Wandelbarkeit hinzu.
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Es dauerte nicht lange und schon befanden wir uns mitten in einem konstruktiven Gespräch über die Ethik und Philosophie solch einer digitalen Lösung. Wir stellten fest, dass es einen großen Unterschied zwischen Eigenwahrnehmung und Fremdwahrnehmung gibt, dass der Begriff Identität nur schwer zu formalisieren ist und Identität innerhalb einer Gruppe gilt. Außerdem hebte Nhan hervor, dass die Identität noch viel mehr ist und wir in verschiedenen Kontexten unterschiedliche Rollen einnehmen, es also – wie Lukas hervorbringt – vielmehr um die Verflechtung in Beziehungsnetzen geht.
„Ich denke, also bin ich”
Was macht uns also aus? Wie können wir die Identität in einen funktionalen Kontext bringen? Wir stellen fest, dass eine technische Lösung kein reales Abbild der physischen Welt ist und es bei ihr nur um den Nutzen geht. Wir erweitern also Descartes’ allseits bekannte Aussage “Ich denke, also bin ich” zu “Nur wenn wir interagieren, dann sind wir” und führen weiter aus, dass aufgrund der Technologie, menschliche Interaktion immer weiter durch technologische Interaktion ersetzt wird. Wo wir vorher noch mit dem Ticketverkäufer interagieren mussten, laufen wir mittlerweile einfach durch ein Gate, um zum Zug zu gelangen, während eine Maschine gewisse Informationen einer Plastikkarte entnimmt und entsprechend verarbeitet.
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SSI – Ein Lösungsversuch mit viel Verantwortung
Dass eine technische Lösung im SSI-Kontext allerdings viel Verantwortung mit sich bringt, verdeutlicht uns Lukas nochmals. Bei einem Projekt in Indien wurden Ausweise und Dokumente digitalisiert. Trotz aller Vorteile entstand dadurch eine digitale Randgruppe von identitätslosen Menschen, die vorher einen Identitätsnachweis auf dem Papier hatten. Es handelte sich hier um einen äußerst kleinen prozentualen Anteil, betraf aber Millionen von Menschen.
Nun aber endlich weiter im Programm…
Nach den ganzen Diskussionen, konnte wir uns weiter an der Agenda festhalten. Nhan verdeutlichte das Ziel der Odyssey-Challenge an sich. Hier geht es nämlich nicht um eine weitere schöne App, die in den vorigen Jahren bereits mehrfach präsentiert wurde, sondern darum für die anderen Challenges einen Mehrwert zu liefern und diese mit unserer eigenen SSI-Lösung zu unterstützen.
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Fazit der Self-Sovereign Identity Session
SSI ist mehr als ein technischer Lösungsansatz. Es ist ein Thema, das uns alle betrifft, weit über die Grenzen personenbezogener Daten und DSGVO-Themen hinaus. Es geht um den Erhalt unserer Freiheit und unserer Menschenrechte. Wie Christopher Allen in einem seiner Vorträge schon sagte, ist SSI sowohl eine auf Menschenwürde basierende Ideologie als auch eine aufstrebende Architektur für Technologie. Während diesem Event war ich mehr als nur positiv überrascht über den Einsatz aller Teilnehmer an diesem bedeutenden Thema. Es freute mich sehr über die philosophischen und ethischen Gedankenansätze zu diskutieren und gemeinsam zu versuchen dieses abstrakte Konzept namens Identität zu erfassen und in eine technische Lösung zu gießen.
Ein paar Dankesworte
Wir bedanken uns bei allen Teilnehmern! Vielen Dank Volker und Tobias für euren allseits bekannten kritischen Blick und konstruktiven Input. Ihr schafft es immer wieder eine angenehme Diskussionsgrundlage zu schaffen und bereichert die Crypto Community sehr. Danke an unsere beiden Odyssey-Teammitglieder Lukas und Ronald und euren Einsatz. Echt cool Ronald, dass du uns die SSI-Prinzipien vorgestellt hast. Lukas, du bist aus Stuttgart angereist, um an diesem Event teilzunehmen, klasse! Ebenso ein großer Dank an dich, Jacob. Super, dass du spontan entschieden hast unserem Team “Breaker of Chains” beizutreten und es mit deinen juristischen Kenntnissen erweiterst. Willkommen im Team! Last but not least bedanke ich mich im Namen der Community bei dir Nhan. Du hast viel Zeit und Mühe investiert diese Community aufzubauen.